Empfehlungen der OIV zu alternativen zur Anwendung von Herbiziden im Weinbau

Status: In Kraft

Empfehlungen der OIV zu alternativen zur Anwendung von Herbiziden im Weinbau

RESOLUTION OIV-VITI 705-2022

EMPFEHLUNGEN DER OIV ZU ALTERNATIVEN ZUR ANWENDUNG VON HERBIZIDEN IM WEINBAU

DIE GENERALVERSAMMLUNG,

AUF VORSCHLAG der Kommission I „Weinbau“ und der Sachverständigengruppe „Rebschutz und Weinbautechniken“,

GESTÜTZT auf Artikel 2 b) i und c) iii des Übereinkommens zur Gründung der Internationalen Organisation für Rebe und Wein und die Ziffern 1.a.iii, 1.b.1, 1.b.4, 1.b.6, 1.b.7, 1.c.iii und 1.f. ihres Strategieplans 2020 - 2024 im Zusammenhang mit der Förderung eines umweltfreundlichen Weinbaus, der Begegnung der Herausforderungen des Klimawandels und der Verbesserung der Umweltleistung,

GESTÜTZT auf die Resolution CST 1-2004 über die Entwicklung eines nachhaltigen Weinbaus,

GESTÜTZT auf die Resolution OIV/-VITI 333/-2010, die das Konzept des Terroirs festlegt, 

GESTÜTZT auf die Resolution OIV-VITI 592-2018 OIV „gute fachliche Praxis zur Minimierung der Auswirkungen bei der Ausbringung von Pflanzenschutzmitteln im Weinbau“,

GESTÜTZT auf die Resolution OIV-VITI 569-2018 „OIV-Protokoll für die nachhaltige Wassernutzung im Weinbau“, insbesondere auf den Absatz „Wasserverbrauch im Weinberg“, 

GESTÜTZT auf die Resolution OIV CST 518-2016 über die allgemeinen Grundsätze des nachhaltigen Weinbaus, insbesondere auf ihren Grundsatz 2 „der nachhaltige Weinbau schützt die Umwelt“ und die Ausführungen über den Erhalt der Biodiversität,

GESTÜTZT auf die Resolution OIV-VITI 641-2020 „Leitfaden für die Anwendung der Grundsätze des nachhaltigen Weinbaus,

IN DER ERWÄGUNg,  dass sich die internationale Gemeinschaft durch die Annahme des strategischen Plans für die biologische Vielfalt 2011-2020 im Rahmen des Übereinkommens über die biologische Vielfalt (CBD; 2010) und der Agenda 2030 der Vereinten Nationen für nachhaltige Entwicklung dazu verpflichtet hat, eine Reihe von ehrgeizigen Zielen wie „Leben im Einklang mit der Natur“ und „niemanden zurücklassen“ festzulegen und dies sofortiges und ehrgeiziges Handeln erfordert, um das Leben unter Wasser und an Land zu schützen, indem der Druck auf die biologische Vielfalt und die Ökosysteme verringert wird,

IN DER ERWÄGUNG, dass sich die öffentlichen Maßnahmen und die Erwartungen der Gesellschaft in Bezug auf den Schutz der biologischen Vielfalt und der natürlichen Ressourcen (insbesondere der Wasser- und Bodenressourcen) auf internationaler Ebene verstärken,

IN ANBETRACHT der wachsenden Nachfrage nach landwirtschaftlichen Erzeugnissen und Nahrungsmitteln (Erzeugnisse aus ökologischem Landbau, integrierter Produktion oder anderen Systemen, die auf die Erreichung von Nachhaltigkeitszielen ausgerichtet sind), die mit Produktionsverfahren erzeugt werden, die den Einsatz von Betriebsmitteln minimieren,

IN ANBETRACHT der verfügbaren innovativen Techniken, landwirtschaftlichen Ausrüstungen und technische Ausruestung, die Maßnahmen ermöglichen, durch die der Einsatz von Herbiziden verringert oder ersetzt werden kann,

IN ANBETRACHT der zunehmenden Professionalisierung der Winzer, die die Umstellung auf neue Anbaupraktiken mit innovativen Instrumenten und somit einen geringeren Einsatz von Betriebsmitteln ermöglicht,

IN ANBETRACHT des wissenschaftlichen Fortschritts und der zahlreichen Versuchsergebnisse zur Erhaltung von Weinbergsböden ohne Einsatz von Herbiziden,

IN ANBETRACHT des Potentials zur Erhöhung der Kohlenstoffspeicherung in Weinbergsböden durch die Entwicklung einer standortgerechten Begruenung und deren angepassten Bewirtschaftung; deren organischer Substanz und im Bewusstsein, dass sich diese positiv auf die Bodengesundheit auswirkt und angesichts des Klimawandels als potentielle Kohlenstoffsenke dient ,

IN ANBETRACHT der politischen und sozioökonomischen Bedeutung des Nachhaltigkeitsansatzes der OIV für nationale und regionale Gesetzgeber, wissenschaftliche Einrichtungen, Berufsverbände und die Winzer selbst,

ERKENNT:

  • Einige chemisch synthetische Pflanzenschutzmittel sind im Weinbau zugelassen.
  • Der Einsatz synthetischer Herbizide kann negative Auswirkungen auf die Umwelt haben, da sie die biologische Aktivität des Bodens beeinträchtigen können, im Boden verbleiben und die Bodenoberfläche oder die Grundwasserressourcen dauerhaft verunreinigen können.
  • Nach dem heutigen Wissensstand und angesichts der verfügbaren alternativen Methoden sind Herbizide für die Bodenpflege in Weinbergen in bestimmten Situationen (in denen eine Mechanisierung unmöglich oder sehr schwierig ist, die weniger nachhaltige Option) jedoch immer noch unverzichtbar.
  • Die Alternative zur Eliminierung der Spontanvegetation durch aktive Substanzen beruht auf vier gängigen Methoden, die einzeln oder in Kombination angewendet werden können:
    1. Eliminierung der Spontanvegetation durch mechanische (oder physikalische) Mittel ohne tiefes Pflügen,
    2. Schaffung und angemessene Pflege einer Pflanzendecke (Spontanvegetation, Aussaat oder Pflanzung),
    3. Ausbringung von kompostierbaren Materialien auf den Boden, um das Wachstum von Spontanvegetation und krautiger Konkurrenzvegetation zu verhindern oder zu begrenzen,
    4. Einsatz biobasierter Substanzen mit herbizider Wirkung (Bioherbizide).
  • Strategien, die auf der Kombination einer oder mehrerer dieser agronomischen Methoden und dem Einsatz von Herbiziden beruhen, sind in vielen Weinbergen durchaus üblich.
  • Die Entscheidung, Herbizide zu reduzieren oder auf diese zu verzichten bringt für die Winzer erhebliche Systemveränderungen mit sich. Die Umstellung auf andere Verfahren zur Erhaltung
  • der Bodenoberfläche erfordert spezielle Geräte, längere und häufigere Interventionen und eine angemessene Qualifikation der Anwender.
  • Trotz erheblicher Einschränkungen muss die Verringerung oder Eleminierung des Einsatzes von Herbiziden zur Pflege der Weinbergsböden in allen Situationen gefördert werden, in denen dies mit konventionellen Mitteln technisch möglich ist. Es muss jedoch sichergestellt werden, dass die Umstellung auf diese neuen Methoden das wirtschaftliche Gleichgewicht der Betriebe nicht beeinträchtigt.
  • In einigen Fällen kann die Änderung der Weinbaupraktiken auch zu einem Anstieg der Treibhausgasemissionen und zur Erosion führen. Darüber hinaus können sich Bodenpflegetechniken ohne Herbizide im Steillagen- und Terrassenweinbau als ungeeignet erweisen, da sie wirtschaftlich nicht tragbar sind.
  • Darüber hinaus ist die mechanische Unkrautbekämpfung in den Rebzeilen unter feuchten Bedingungen möglicherweise nicht effizient und muss wiederholt werden, was nachteilige Folgen (höherer Kraftstoffverbrauch, Bodenverdichtung) hat.
  • Die Verwendung kompostierbarer Materialien kann zu pflanzengesundheitlichen Problemen wie Knospenschädlingen oder Wurzelfäule führen.
  • Für die mechanische Pflege der Bodenoberfläche stehen zahlreiche Techniken und Geräte zur Verfügung, und es kommen regelmäßig neue Instrumente auf den Markt. Bei mechanischen und physikalischen Maßnahmen ist es ratsam, für jede pedoklimatische Situation und jede Art von Weinberg Techniken oder eine Kombination von Techniken zu ermitteln und diejenigen auszuwählen, die am besten geeignet sind.
  • Die Strategie der kontrollierten Bodenbedeckung durch Spontanbegrünung (wo es keine Alternative gibt) oder Einsaat hat zahlreiche Vorteile. Sie erfordert jedoch eine sehr gute technische Beherrschung und Anpassungsfähigkeit an die Gegebenheiten der Parzellenbewirtschaftung. Sie wird je nach Fall zeitweise oder dauerhaft angewendet und betrifft die gesamte Fläche oder nur einen Teil des Weinbergs (z. B. den zwischen den Rebzeilen).
  • Die Umsetzung der Strategie der kontrollierten Bodenbedeckung hängt stark von den Bodenverhältnissen und vom Wasserhaushalt ab und wirkt sich auf die Vitalität der Rebe und ihren Ertrag aus. Ist die Konkurrenz um Wasser zwischen Reben und Deckfrüchten ausgeglichen und erfolgt die Begrünung in einem geeigneten Umfeld, ist die Pflanzendecke des Bodens bei der Kontrolle der Erosion, der Verbesserung der Tragfähigkeit des Bodens für Maschinen, der Begrenzung der Verdichtung und der Bindung von Kohlenstoff im Boden durch die Erhöhung seines Gehalts an organischer Substanz jedoch sehr wirksam.

EMPFIEHLT DEN MITGLIEDSTAATEN,

  • Maßnahmen einzuleiten oder zu entwickeln, um zu prüfen, ob die Umstellung auf alternative Verfahren der Unkrautbekämpfung unter regionalen Bedingungen im Weinberg durchführbar ist,
  • Forschungsarbeiten zu alternativen Verfahren zur chemischen Unkrautkontrolle im Weinbau unter regionalen Bedingungen sind zu initiieren, die sich auf die Nachhaltigkeitsziele (Energieverbrauch, Toxizitätsrisiko, Bodenverdichtung, Auswirkungen auf die Produktion) konzentrieren,
  • technische Schulungsmaßnahmen (insbesondere zum sachgemäßen Einsatz innovativer, angepasster Instrumente und zur Kenntnis und Pflege der Spontanvegetation (soweit möglich) und der gesäten Pflanzen) sowie Aktionen zur Aufklärung, Kommunikation und Sensibilisierung zu diesem Thema zu entwickeln,
  • die Forschung und Versuche zu fördern, um die Durchführbarkeit und die Auswirkungen einer Bodenbearbeitung ohne Herbizide unter Einbeziehung der Erzeuger (partizipatorische Netzwerke) zu untersuchen, insbesondere im Hinblick auf die Erosion und die nachhaltige Wassernutzung,
  • Innovationen bei der Bodenpflege durch verschiedene (physikalische oder andere Verfahren) zu fördern. Insbesondere sollte die Erforschung innovativer mechanischer Werkzeuge für die sachgemäße Bodenbearbeitung in Rebzeilen gefördert werden, um Schäden an den Reben (Verletzungen) zu begrenzen und gleichzeitig die Arbeitszeiten zu verkürzen, auch in Weinbergen mit hoher Pflanzdichte, wenn möglich unter Einsatz unbemannter Landfahrzeuge zur physikalischen Unkrautbekämpfung,
  • den internationalen Austausch von Versuchsergebnissen und Rückmeldungen über Erfahrungen mit der Bodenpflege ohne Unkrautbekämpfung zu fördern,
  • Alternativen und/oder Weinbaupraktiken zufoerdern, um die Nachhaltigkeitsziele des Sektors zu berücksichtigen, insbesondere diejenigen, die in direktem Zusammenhang mit einer nachhaltigen Bodenbewirtschaftung stehen (ausgeglichener Wasserhaushalt, geringe Toxizitätsrisiken, Kohlenstoffemission und -bindung und organische Substanz in Böden, mikrobielle Biodiversität, Bodengesundheit usw.).